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Stadtbahnqualitäten

Johannes Bouchain

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Stadtbahnqualitäten 1: Netz

Funktion
Repräsentation
Sozialräumliche Vernetzung

Die erste Betrachtungsebene der Qualitäten bezieht sich auf das Netz, das die Verknüpfungen in der Gesamtstadt repräsentiert. Es steht in enger Wechselbeziehung zur funktionalen und räumlichen Gesamtstruktur der Stadt und ordnet sich je nach Kontext unterschiedlich in die Struktur der Netze anderer Verkehrsträger ein.

Funktion

Die Stadt kann als Überlagerung von Netzen angesehen werden, die jeweils hauptsächlich eine Erschließungs- oder Verbindungsfunktion haben. Dabei ist das Netz der modernen Stadtbahn je nach Struktur und räumlichen Kontext unterschiedlich zwischen diesen beiden Polen des Verbindens und Erschließens angeordnet. Demnach besteht auch in der Literatur Uneinigkeit über die genaue Funktion der Stadtbahn – eben weil sie sich nicht verallgemeinern lässt.

Die Erschließungsfunktion steht bei den alten, „klassischen” Straßenbahnnetzen mit einem dichten Netz im Vordergrund (z. B. in Zürich). Hier sind kurze Haltestellenabstände vorhanden und ermöglichen eine flächendeckende Anbindung des Stadtgebiets. Die durchschnittliche Reisegeschwindigkeit ist meist sehr gering (in Zürich ca. 15 km/h). Entsprechende Netze werden oft überlagert von einem leistungsfähigen Schnellbahnsystem.

Die Verbindungsfunktion steht bei Stadtbahnnetzen im Vordergrund, die auf wenige bündelnde Achsen reduziert sind, z. B. bei den neuen Netzen in Frankreich. Hier sind eine hohe Reisegeschwindigkeit (meist zwischen 20 und 22 km/h) sowie große Haltestellenabstände prägend. Dafür wird das Stadtgebiet nicht flächendeckend durch das Verkehrsmittel angebunden. Diese Funktion steht dort im Vordergrund, wo die Stadtbahn Hauptlastträger des städtischen bzw. stadtregionalen öffentlichen Verkehrs ist.

Erschließungsfunktion
Schema der Erschließungsfunktion: Kurze Haltestellenabstände, dichtes Netz und flächendeckende Erreichbarkeit des Systems mit kurzen Fußwegen, jedoch niedrige Reisegeschwindigkeit (eigene Darstellung)

Verbindungsfunkion
Schema der Verbindungsfunktion: Große Haltestellenabstände, hohe Reisegeschwindigkeit und damit schnelle Verbindung unterschiedlicher Orte, jedoch keine flächendeckende Versorgung (eigene Darstellung)

Repräsentation

Das Netz ist eine Repräsentation räumlicher, sozialer, kultureller und ökonomischer Zusammenhänge im Stadtraum. Diese werden in den meist sehr schematischen Liniennetzplänen verdeutlicht. Das Netz ist dabei zugleich zentraler Bestandteil des „gefühlten” Verbindungsgeflechts einer Stadt oder Stadtregion. Die „mentale Karte” der Bewohner und Besucher der Stadt wird nach erlebten Bereichen und nicht erlebten Zwischenräumen (weißen Flecken) differenziert.

Die Stadtbahn ermöglicht die „Zeichnung” der mentalen Karte als Netz, da der Nutzer den Stadtraum durchgängig erlebt. Ein U-Bahn-Nutzer (und teils auch ein S-Bahn-Nutzer) erlebt den Stadtraum nur punktuell, wodurch ein inselartiges Bild entsteht.

Mentale Karte eines U-Bahn-Benutzers
Prinzipskizze: Die mentale Stadtkarte eines U-Bahn-Benutzers mit ausgefüllten Bereichen längs einer vom Stadtraum getrennten Linie (eigene Darstellung)

Mentale Karte eines Trambenutzers
Prinzipskizze: Die mentale Stadtkarte eines Stadtbahn-Benutzers mit linearen ausgefüllten Bereichen, an bestimmten Punkten verdichtet (eigene Darstellung)

Sozialräumliche Vernetzung

Eine besondere Bedeutung haben Netze des schienengebundenen Oberflächenverkehrs auch in sozialräumlicher Hinsicht. Besonders für benachteiligte Quartiere ist die Anbindung an den schienengebundenen Nahverkehr wichtig. Im Vergleich zu anderen Nahverkehrsmitteln hat die Stadtbahn dabei den Charakter eines urbanen, im Stadtraum klar lesbaren Bindeglieds. Sie ist zwar verglichen mit den Schnellbahnen (U- und S-Bahn) ein „weiches” Verkehrsmittel, aber ihre „gefühlte Verbindungswirkung” ist durch ihren speziellen Charakter ebenfalls sehr stark.

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